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Rundgang durch den Alsbacher Wald
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
mit offenen Augen durch den Alsbach-Hähnleiner Wald laufen. An den regelmäßigen Rückmeldungen von Ihnen merken wir: Das machen viele. Am Samstagvormittag war es dennoch ein ganz besonderer Rundgang, an dem ich gemeinsam mit Fachbereichsleiterin Irene Neumann, die bei uns das Thema „Wald“ verantwortet, teilnehmen durfte. Denn unser Revierförster Dirk Hungenberg sowie Matthias Kalinka, stellvertretender Forstamtsleiter in Darmstadt, nahmen sich deutlich mehr als zwei Stunden Zeit für uns.
Zeit, um einer bunt gemischten Gruppe aus etwa 20 Personen an besonderen Stellen in unserem Wald zu erklären, wie Forstwirtschaft funktioniert, welche Herausforderungen es dabei gibt und wie häufig unterschiedliche Primär-Interessen miteinander in Balance gebracht werden müssen.
Eingeladen waren nicht nur Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalpolitik, sondern auch unterschiedliche Interessengruppen, die sich regelmäßig mit dem Thema „Wald“ beschäftigen – als Mitglied einer Naturschutz- oder Bürgerinitiative, Botanikerin oder Mountainbiker.
An den verschiedenen Stationen im Wald wurden dabei einige Dinge besonders deutlich:
- Es gibt sehr viele Bereiche, in denen unser Wald sehr vital und gesund ist. Gerade verglichen mit umliegenden Wäldern in unserer Region können wir sagen: Insgesamt geht es unserem Wald vergleichsweise gut. Auf der anderen Seite haben die trockenen Sommer der vergangenen Jahre natürlich auch bei uns deutliche Spuren hinterlassen. Gerade im Buchenbestand gibt es einige Stellen, an denen die Krone des Waldes durchaus licht geworden ist, so dass der Blick gen Himmel nicht schwer fällt.
- Dabei gingen unsere Experten von Hessen Forst auch auf die positiven Effekte ein, die mit einem Absterben mancher Bäume verbunden sind – sofern dieser Prozess sich nicht zu stark beschleunigt. Denn wo keine geschlossene Baumkrone den Lichteinfall in den Wald reduziert, haben nachwachsende Bäume, die im Rahmen der Naturverjüngung gen Sonne streben, gute Chancen, nach oben zu kommen. Denn klar ist: Unser Wald ist ein Projekt, das deutlich generationenübergreifend gestaltet werden muss. Dass heute junge Bäume nachwachsen und eine Chance bekommen, kommt in den meisten Fällen erst in einigen Dutzend Jahren richtig zur Geltung. Für unseren Revierförster geht es deshalb immer um eine „naturnahe Waldbewirtschaftung“ in einem naturreichen Dauerwald. Der dabei in einem Regenerationszyklus gehalten wird, der langfristig ein Höchstmaß an Vitalität und Widerstandsfähigkeit „garantiert“.
- Ein großes Thema während unseres Rundgangs war die Waldbewirtschaftung. Dabei bin ich dankbar, dass wir uns – nicht nur im Rahmen unserer FSC-Zertifizierung, die gerade fortgeschrieben wurde – auf einige grundlegende Dinge seit vielen Jahren geeinigt haben: Die jährliche Holzernte aus unserem Wald liegt immer deutlich unter dem, was der Wald binnen eines Jahres reproduzieren kann. Das ist echte Nachhaltigkeit. Zum anderen werden Bäume nur dort geschlagen, wo es entweder der Verkehrssicherheit dient oder der weiteren Entwicklung des Baumbestandes. In bereits stark angegriffenen Flächen werden Probleme natürlich nicht dadurch verstärkt, dass zusätzliche Bäume aus dem Wald entnommen werden. Und bei der Holzernte sind sowohl der Forst als auch die beauftragten Fachfirmen bemüht, so wenige Schäden im Wald wie möglich zu hinterlassen. Das fordert oft, sich genau zu überlegen, in welche Richtung zu entfernende Bäume fallen sollen und welches Totholz gegebenenfalls einfach im Wald stehen bleiben kann.
- Zur Wahrheit gehört dabei auch: Es ist wenig sinnvoll, unsere Holzbestände komplett aus der Bewirtschaftung zu nehmen und den Holzbedarf von uns allen aus weit entfernten Regionen zu decken. So wird etwa unsere Feuerwehrgerätehaus in Hähnlein mit Holzpellets beheizt und rund um den Marktplatz profitieren zahlreiche Liegenschaften von unserem mit Holzhackschnitzeln angetriebenen Nahwärmenetz – etwa die Alte Bürgermeisterei, die Alte Schule, die Sport- und Kulturhalle oder das Dorfgemeinschaftshaus. Revierförster Dirk Hungenberg hat dazu eine recht einfache, aber deutliche Rechnung aufgemacht. Jeder Mensch in Deutschland benötigt etwa zwei Kubikmeter Holz im Jahr. Das macht für ganz Alsbach-Hähnlein also ungefähr 18.000 Kubikmeter. Aus dem eigenen Wald entnehmen wir dabei allerdings nur etwa 800 Kubikmeter. Und gleichzeitig wachsen pro Jahr in Alsbach-Hähnlein etwa 2000 bis 2400 Kubikmeter nach.
- Neben all diesen Themen ging es auch noch um die hohe Bedeutung von Habitatbäumen –als Nutzungsraum verschiedener Tiere und Organismen. Wir haben über die Notwendigkeit eines guten Waldklimas gesprochen, die Diversität von Neuanpflanzungen und die Frage, wo die Verkehrssicherheitspflicht an wichtigen Wegen im Wald anfängt und abseits dieser Wege auch wieder aufhört.
Für mich war es ein außerordentlich informativer und angenehmer Samstagvormittag. Viele Details haben ein deutliches Gesamtbild ergeben, wie vielschichtig eine Forstbewirtschaftung ist. Und auch wenn deutlich wurde, wie unterschiedliche Interessengruppen verschiedene Perspektiven im Wald stärker in den Fokus rücken, so glaube ich fest daran, dass wir ein gemeinsames Interesse haben, unseren Wald in bestmöglichem Zustand an künftige Generationen zu geben.
Was dafür nötig ist, besprechen wir mit allen Interessenvertreterinnen und -vertretern in einem Expertengespräch zur Zukunft des Waldes, das wir für Mitte Oktober angesetzt haben.
Ich danke allen, die sich in diesem Sinn für den Rundgang am Samstag Zeit genommen haben.
Herzliche Grüße,
Ihr
Sebastian Bubenzer
Bürgermeister
19.09.2022